Stadtschulpflegschaft Köln

Pressemitteilungen der Stadtschulpflegschaft Köln

Geschlossene Schulen: Stadt Köln muss nachlegen                                                                                     PDF-Version
4. Februar 2020

Die Stadtschulpflegschaft Köln setzt sich weiterhin entschieden für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Frage der Schulschließungen ein. Die Grundrechte der Kinder und Jugendlichen auf Bildung, Gesundheit und soziale Teilhabe müssen bei allen Entscheidungen an vorderster Stelle stehen.

Die Landespolitik hat in den letzten neun Monaten kein Gesamtkonzept vorgelegt, um Schulbildung in Zeiten einer Pandemie zu garantieren. Die Diskussion reicht von der Situation der Abschlussklassen bis zum Ausbremsen neuer Unterrichtskonzepte wie dem Wechselunterricht.

Doch auch die Kölner Verwaltung und Politik haben einen großen Handlungsspielraum, um Bildungsgerechtigkeit sicherzustellen und die Situation der Schüler*innen und ihrer Familien rasch zu verbessern:

Baustelle A - Digitalisierung:

  • Die aktuelle Situation aus Eltern- und Schülersicht dokumentiert die Umfrage der AG „Schule Digital“ der Stadtschulpflegschaft. Die Auswertung der Antworten der knapp 7.000 Teilnehmenden ist den Medien in diesen Tagen zur Verfügung gestellt worden.

Baustelle B - Soziale Folgen fortgesetzter Schulschließungen:

  • Schule ist ein wichtiger Ort der Begegnung. Hier erwerben Kinder und Jugendliche soziale Kompetenzen, vor allem Konfliktfähigkeit, Empathie und Toleranz. Zuhause sehen sich viele Schüler*innen zudem in Strukturen eingebunden, die in diesen Monaten einer Bewährungsprobe ausgesetzt sind: Einsamkeit und psychische Auffälligkeiten sind

Probleme, die schon im 1. Lockdown bei einem Drittel der Schüler*innen nachgewiesen wurden. Lehrer*innen und die Schulsozialarbeit müssen Schüler*innen auch im Distanzunterricht Verlässlichkeit gewährleisten und ggfs. individuell den Kontakt suchen. Damit die schwierige Lage der Kinder und Jugendlichen nicht außer Sicht gerät, ist es ist unabdingbar, die Zusammenarbeit der Schulsozialarbeit mit der offenen Kinder- und Jugendarbeit besonders zu fördern.

  • Für viele Kinder ist Familie kein sicherer Ort: Die intrafamiliäre Gewalt nimmt zu. Jeder zusätzliche Fall ist einer zu viel! Jugendämter, Kinder- und Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit sollten abgestimmte, rasche und unkomplizierte Hilfsangebote bereitstellen. 
  • Obendrein ist das kostenlose Mittagessen, obgleich die Stadt dazu verpflichtet ist, für viele Schüler*innen aus anspruchsberechtigten Familien nicht immer garantiert. Andreas Albrecht, stellvertretender Vorstand der Stadtschulpflegschaft setzt sich seit März bei allen zuständigen Stellen für eine Lösung dieses Missstands ein.
  • Der durch Wegfall von Schul- und Vereinssport, dem freien Spiel mit Freunden und einem Übermaß an Medienkonsum hervorgerufenen Bewegungsmangel wirkt sich negativ auf die psychische und physische Befindlichkeit aus: Schulsport muss aus diesem Grund Teil des Curriculums bleiben und ggfs. durch digitale Angebote ergänzt werden. Die Stadt Köln ist darüber hinaus gehalten, unter Einbezug der Kölner Vereinslandschaft und der freien Kinder- und Jugendarbeit präventiv zu intervenieren.

Die Stadt steht in der Pflicht, die Öffnung der Schulen angemessen vorzubereiten. Folgende Probleme bedürfen einer raschen Lösung:

  • Über die Durchführung von Corona-Tests bei Schüler*innen darf nicht nach Kassenlage entschieden werden. Präventive regelmäßige „Pooltestungen“ mit PCR-Tests verschaffen Gewissheit, ob sich Schüler*innen infiziert haben.
  • Die Stadt Köln sollte als Schulträger den Schüler*innen ausreichend OP- und FFP2-Masken zur Verfügung stellen.
  • Flächendeckende Bereitstellung mobiler Luftfiltergeräte: Die Hygienekonzepte der Schulen sind gut und bieten in vielen Fällen ausreichend Sicherheit. Mit Luftfiltergeräten könnte man der Verbreitung des Virus an Schulen jedoch effektiv Einhalt gebieten. Es gibt bereits Elternvereine, die bereit sind, diese zu spenden. Die Stadt verpflichtet sie zu Wartung und Haftung – dies kann von Eltern nicht geleistet werden.
  • Über die Nutzung von Konferenzsälen in Hotels und Veranstaltungshallen, um Unterricht auf Abstand zu ermöglichen, ist nach neun Monaten noch immer nicht final entschieden worden.
  • Mit dem versetzten Start des Schultags verschiedener Jahrgangsstufen oder Klassen können Schulen die Infektionsrisiken auf dem Schulweg minimieren.
  • Ferien- und Förderprogramme, für die das Schulministerium letzten Sommer für NRW €75 Millionen bereitgestellt hat, um die Lerndefizite zu kompensieren, wurden nur selten durchgeführt. Zu unserem Bedauern hat sich das zuständige Amt für Schulentwicklung nie dazu positioniert. Die zur Verfügung gestellten Gelder werden insbesondere für die Schüler*innen des gebundenen Ganztags, die bislang in den Ferien keine Angebote nutzen können, dringend benötigt.

Wir freuen uns über Ihre Rückfragen.

Stadtschulpflegschaft Köln

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Kölner Schulen im Lockdown                                                                                                                     PDF Version 
17. Dezember 2020

In der letzten Woche erlebten wir mit Erstaunen, wie die Politik binnen sehr kurzer Zeit einen grundlegenden
Positionswechsel bezüglich der Bildungspolitik vornahm. Auch wenn außer Frage steht, dass ein harter
Lockdown auch Schulen betreffen sollte, so stellte die Verordnung des Schulministeriums NRW am
Freitagnachmittag Schüler*innen, deren Familien und die Lehrer*innen vor nahezu unlösbare Probleme.
Bis dahin war die Umsetzung aller Konzepte zum Hybridunterricht nicht erwünscht und sogar untersagt–
nun sollten die Schulen den Hybridunterricht ohne weitere Vorbereitung durchführen.

Die Stadtschulpflegschaft Köln beobachtet mit Entsetzen einen Schulbetrieb, der zwischen
Improvisation und Professionalität, Unberechenbarkeit und Verlässlichkeit massiv changiert:


Viele Schulen legten vor:
Die mutige Entscheidung einzelner Schulen für eine sachgerechte Vorbereitung auf das Lernen auf Distanz
macht sich jetzt bezahlt. Die meisten Gymnasien unterrichten seit Montag hybrid, das heißt: Die
abwesenden Schüler*innen bis zur 7. Klasse werden zum Präsenzunterricht ihrer Klasse zugeschaltet und
die älteren Schüler*innen werden in täglich stattfindenden Videokonferenzen unterrichtet. Ausstattung und
Handhabung haben sie bereits in den letzten Monaten selbständig und ohne Unterstützung aus Düsseldorf
getestet.

Andere Schulen, deren Schüler*innen unzureichend technisch ausgestattet sind, haben in Absprache mit
den Eltern Konzepte zum Lernen auf Distanz ohne Einsatz von digitaler Technik erarbeitet.

Qualität der Lehre und vergleichbare Abschlüsse in Gefahr:

Das hohe pädagogische Niveau, das Schulen bei allen Defiziten in Ausstattung und Ressourcen anstreben,
ist hinfällig. Die Überforderung aller Beteiligten begründen fragwürdige Lösungen bzw. Lösungsansätze.

Hier nur exemplarisch ein Beispiel:
Klassenarbeiten und Prüfungen werden zeitgleich vor Ort oder im Distanzunterricht geschrieben. Doch
zu Hause und in der Schule finden die Schüler*innen völlig unterschiedliche Bedingungen vor. Ein Teil
der Schüler*innen wird die Gelegenheit nutzen, alle Regeln der Fairness über Bord zu werfen, ein
anderer Teil der Schüler*innen hat zu Hause keine angemessene Lernumgebung um eine Prüfung zu
schreiben (zu wenig Ruhe und Platz, um sich zu konzentrieren etc.).

Bildungsgerechtigkeit in Gefahr:
Schüler*innen, die zu Hause nicht adäquat mit digitalen Endgeräten ausgestattet sind und/oder nicht genug
Platz und Ruhe zum Lernen haben, bleiben auf der Strecke. Die Schulsozialarbeit kann zwar Eltern zur
Gestaltung einer lernförderlichen Umgebung beraten. Wohn- und Lebensverhältnisse, IT-Ausstattung und
WLAN kann diese jedoch nicht beeinflussen.

Mangels Online-Plattform und/oder aus Unkenntnis senden Lehrer*innen den Eltern die Hausaufgaben als
PDF-Dokumente, die diese auszudrucken und nach Fertigstellung wieder eingescannt zurücksenden
sollen. Dafür bedarf es neben der technischen Ausstattung auch der Zeit der Eltern für die Unterstützung
der Schüler*innen.

Überlastung von Lehrer*innen:
Lehrerinnen und Lehrer der Klassen 1 – 7 beklagen Doppelarbeit, da sie die im Präsenzunterricht
verbliebenen Schüler*innen sowie die Schüler*innen im Distanzunterricht gleichermaßen unterrichten
müssen.

Eltern am Limit insb. bei Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf:
Schüler*innen mit den Förderschwerpunkten geistige und körperlich-motorische Entwicklung jeden Alters
sollten – wie die Schüler*innen der Klassen 1 bis 7 – wahlweise zur Schule kommen oder zuhause betreut
und unterrichtet werden. Jedoch wird an vielen Schulen den Eltern dringend nahegelegt, ihre Kinder nicht
in die Schule zu schicken. Doch diese habe genauso einen Anspruch auf Präsenzunterricht. Ein
selbstständiges Lernen ist hier regelmäßig nicht ohne Unterstützung möglich.

Schule muss für Schüler*innen, Lehrer*innen sowie allen Angestellten der Schule wieder ein sicherer Ort werden. Deswegen fordern wir:

• In Ergänzung des Lüftungskonzepts rasche Bereitstellung von Trennwänden und Luftreinigungsgeräten in allen Klassenzimmern; Enthebung von der Haftung und Wartungspflicht, wenn Elternvereine
bereit sind, diese zu spenden.

• Alternativ: Umwidmung und Nutzung von Leerständen in Gebäuden zur Schulnutzung, z.B. Konferenzsäle der Hotels, für schulische Zwecke zur Wahrung der Abstände gemäß der Coronaschutzverordnung NRW.

• Ausreichende kostenfreie Bereitstellung von FFP2-Masken für vulnerable Schüler*innen- und Lehrer*innengruppen.

• Entwicklung tragfähiger Konzepte für das Lernen auf Distanz in Absprache mit Eltern und Schüler*innen.

• Zeitnahe Gewährleistung der Ausstattung mit digitalen Endgeräten und der digitalen Lerninhalte für
alle Schüler*innen. Schüler*innen mit Bedarf muss dies durch entsprechend geringe Kostenbeteiligung
der Familien oder vollständiger Kostenübernahme durch Jobcenter oder Sozialamt (Grundsatz der
Lehrmittelfreiheit).

• Verkleinerung der Lerngruppen durch Wechselunterricht bei dem Inzidenzwert, nach dem das RobertKoch-Instituts (RKI) eine sofortige Reaktion empfiehlt.

• Distanzunterricht, ebenfalls nach Empfehlung des RKI.

• Ggfs. Notbetreuung von allen Schülerinnen und Schülern Klasse 1 – 7 sowie aller Schüler*innen mit
sonderpädagogischem Förderbedarf, deren Familien die Betreuung nicht leisten können.

• Frühzeitige Mittelbereitstellung und Neuauflage der Fördermaßnahmen für benachteiligte Schüler*innen.

• Präventionsmaßnahmen gegen den voraussehbaren Anstieg von häuslicher Gewalt.

Stadtschulpflegschaft Köln